Tractatus logico-philosophicus

Ludwig Wittgenstein

4.063

Ein Bild zur Erklärung des Wahrheitsbegriffes: Schwarzer Fleck auf weißem Papier; die Form des Fleckes kann man beschreiben, indem man für jeden Punkt der Fläche angibt, ob er weiß oder schwarz ist. Der Tatsache, dass ein Punkt schwarz ist, entspricht eine positive – der, dass ein Punkt weiß (nicht schwarz) ist, eine negative Tatsache. Bezeichne ich einen Punkt der Fläche (einen Fregeschen Wahrheitswert), so entspricht dies der Annahme, die zur Beurteilung aufgestellt wird, etc. etc. Um aber sagen zu können, ein Punkt sei schwarz oder weiß, muss ich vorerst wissen, wann man einen Punkt schwarz und wann man ihn weiß nennt; um sagen zu können: „p“ ist wahr (oder falsch), muss ich bestimmt haben, unter welchen Umständen ich „p“ wahr nenne, und damit bestimme ich den Sinn des Satzes. Der Punkt, an dem das Gleichnis hinkt ist nun der: Wir können auf einen Punkt des Papiers zeigen, auch ohne zu wissen, was weiß und schwarz ist; einem Satz ohne Sinn aber entspricht gar nichts, denn er bezeichnet kein Ding (Wahrheitswert) dessen Eigenschaften etwa „falsch“ oder „wahr“ hießen; das Verbum eines Satzes ist nicht „ist wahr“ oder „ist falsch“ – wie Frege glaubte –, sondern das, was „wahr ist“, muss das Verbum schon enthalten.


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